Grenzerfahrungen
Im Rahmen eines mehrtägigen Wanderprojekts an der oberfränkisch-tschechischen Grenze zwischen Wunsiedel und Karlsbad gingen Lehrer und Schüler nicht nur über Landesgrenzen.
„Grenzerfahrungen“ – der perfekte Name für ein Wanderprojekt, das als Abenteuer zwischen Wunsiedel und Karlsbad begann. Was kann man erwarten, wenn man sich mit ambitionierten Zielen und einer gesunden Portion Optimismus auf eine mehrtägige Tour begibt? Mehr als gedacht.
Zwischen unerwarteten Streckenverlängerungen (pro Tag mindestens zwei Kilometer mehr als ursprünglich geplant), wechselhaftem Wetter und hunderten Runden Schafkopf entwickelte sich diese Wanderung zu einem echten Erlebnis. Eine Tour, bei der nicht nur geografische, sondern auch persönliche Grenzen überschritten und auf die Probe gestellt wurden.
Zusammen mit Herrn Lenk und Frau Pargent starteten wir zu dreizehnt unsere Wanderung, nach einer kurzen Zugfahrt, in Wunsiedel. Es dauerte nicht lange, bis wir den Wald erreichten. In Röslau genossen wir den Zwölf-Gipfel-Blick über das Fichtelgebirge. Von dort aus gelangten wir über Wald- und Feldwege, vorbei an den sehenswerten Eger-Teichen und Alpakas bis nach Marktleuthen, wo wir die erste Mittagspause einlegten. Im dortigen Supermarkt deckten wir uns mit Brötchen, Belag und Nougat Bits für das morgige Frühstück ein. Ohne es zu merken, querten wir den 12. Längengrad. Nach weiteren zwei Stunden kamen wir an unserem Campingplatz für die Nacht an, Kornberg-Borderland-Camping in Heidelheim. Nachdem die Zelte aufgestellt und der Campingplatz erkundet worden waren, ging es zum Public viewing des EM-Viertelfinales. Deutschland gegen Spanien. Wir wollen uns nur ungern daran zurückerinnern…
Nach der Ernüchterung vom Vorabend startete der zweite Tag immerhin mit strahlendem Sonnenschein und ausgiebigem Frühstück. Mit leichter Verspätung aufgrund notwendiger Umplanungen brachen wir nur noch zu zehnt vom Campingplatz auf … ein bisschen Schwund ist immer. Auf unserem Weg zur Porzellanstadt Selb hatten wir das Wetter noch auf unserer Seite und nach einer etwas zu ausgiebigen Mittagspause sogar das Glück, das Spiel der Porzellanglocken um 15 Uhr vom Selber Rathaus hören zu können. Kurze Zeit später allerdings wurden starker Regen und Gewitter unsere ungemütlichen Begleiter für den langen Weg, der noch vor uns lag. Da blieben selbst die wasserfestesten Schuhe nicht trocken. Um halb fünf überschritten wir unerkannt die „Grüne Grenze“ nach Tschechien. Nachdem wir die Goethe-Felsen, eine markante Granitfels-Formation, die schon Goethe besucht hatte, passiert hatten, schlossen wir den zweiten Tag in Skalka ab und richteten uns in der Unterkunft für die Nacht ein, in der Pension „Zur Goldenen Elsa“ mit Gaststube und immerhin drei Gästezimmern. Wir wurden sehr herzlich empfangen und bekamen noch ein leckeres Abendessen: Böhmische Küche. Entstandene Blasen wurden versorgt und die Schuhe zum Trocknen in den Flur gestellt.
Am nächsten Morgen ließ das extra für uns angerichtete Frühstück keinerlei Wünsche offen und auch Wasser für den Tag wurde uns bereitgestellt. Der Abschied von den unfassbar netten Gastgeberinnen und Gastgebern, die uns auch viel über die Geschichte des Sudetenlandes und ihrer zeitweiligen Vertreibung erzählten, inklusive der zahlreichen kleinen Hündchen, fiel uns (insbesondere in immer noch feuchten Schuhen) schwer. Schon nach wenigen Kilometern überquerten wie erneut eine Landesgrenze und landeten in Sachsen. Hier musste bei einem Paar Schuhe notdürftig die Sohle mit Panzertape wieder an den Schuh geklebt werden. Wie gesagt: Grenzerfahrungen. Wenig später ging’s schon wieder über die Grenze, zurück nach Tschechien. Nach vier Stunden Fußweg legten wir unsere größere Pause für den Tag in Sklaná ein, einem Zentrum der seismischen Aktivitäten in der Region. Selbst Milch für das morgige Frühstück konnten wir, obwohl Sonntag war, in einem kleinen, aber feinen Dorfgeschäft kaufen … dabei verkauft der Laden normalerweise nicht einmal Milch... Auch mit Kostproben von Essen und Tee wurden wir versorgt. Gastfreundlichkeit wird in Skalná großgeschrieben! Doch wir mussten weiter… Wir durchquerten das landschaftlich wunderschöne Moorgebiet in Soos und kamen gegen Abend am Campingplatz (man könnte es auch liebevoll „Wiese“ nennen) Retro Kemp 1953 in Tršnice direkt an der Eger an. Und trotz Tausender Mücken und Trockenklos (halt Retro Kemp!) verbrachten wir den Abend in gemütlicher Runde und konnten am Imbiss sogar Pizza bestellen.
Das Frühstück am vierten Tag bestand (wie fast immer eigentlich) aus mehr oder weniger liebevoll belegten Brötchen oder Nougat Bits bzw. normalem Müsli. Um etwas Strecke einzusparen, fuhren wir einige Kilometer mit dem Zug bis Kynšperk. Kurz darauf erwartete uns der mit Abstand steilste Anstieg der ganzen Wanderung, doch auch den meisterten selbstverständlich alle – wir waren inzwischen wieder elf... Auf der anderen Seite des Berges besuchten wir die beeindruckende Wallfahrtskirche in Maria Culm und machten dort erneut Pause. Über einen künstlichen aufgeschütteten Berg, die Abraumhalde der Kohlegruben von Sokolov, kämpften wir uns unter der prallenden Sonne ohne Schatten immer weiter an das große Zwischenziel für den vierten Tag heran: den Medard-See, ein geflutetes Braunkohleabbaugebiet, an dessen Ufer wir eine wohlverdiente Verschnaufpause einlegten. Von dort aus zog sich der eigentlich flache Weg entlang des Seeufers noch ziemlich bis zu unserer Unterkunft in Sokolov. Die Freude war dementsprechend groß, als wir die Unterkunft erreicht hatten. Nach einem schnellen Einkauf kurz vor Ladenschluss genossen wir es, zusammen in einem Restaurant zu Abend zu essen und den schönen Marktplatz von Sokolov zu betrachten.
Und schon hatte der letzte Tag begonnen! Nach dem Frühstück verließen wir Sokolov und folgten fast den ganzen Tag der Eger. Im Gegensatz zum Vortag war die Hitze am fünften und letzten Tag ertragbar, da wir größtenteils im Schatten der bewaldeten Flussufer unterwegs waren. Neidisch auf die Leute, die im Kanu auf der malerischen Eger unterwegs waren, waren wir trotzdem! In der historischen Stadt Loket machten wir, mit Ausblick auf die eindrucksvolle Burg, Pause. Nach der Durchquerung der sehenswerten Altstadt suchten wir uns wieder den Weg an die Eger. Unser Ziel kam näher und näher … Ein landschaftlicher Höhepunkt kurz vor dem Ende waren die Hans-Heiling-Felsen, der „Hochzeitszug“, markante Granit-Spitzen, der Sage nach eine versteinerte Hochzeitsgesellschaft. Hier nicht auch zu versteinern, war eine Motivation, die uns half, den Zug nach Karlsbad zu erwischen, um ein paar letzte Kilometer Gehstrecke einzusparen und damit Zeit für die Besichtigung Karlsbads zu gewinnen.
Die letzten Kilometer durch Wald, Dorf und auch den letzten Hügel hatten wir schließlich bezwungen. Völlig fertig stiegen wir in den Zug ein und nur ein paar Minuten später hatten wir das Endziel unserer Reise erreicht: Wir waren in Karlsbad angekommen! Nach annähernd 130 km voller Höhen und Tiefen. Am Bahnhof wurde ein Paar Schuhe direkt entsorgt, weil selbst das Panzertape nicht mehr half, und weitere Schüler wechselten ihr Schuhwerk zu bequemeren Badelatschen. Die Eisdiele war unser erstes Ziel und nach dem verdienten Eis hatten wir noch etwas Zeit, die Stadt in kleineren Gruppen zu erkunden, bevor wir uns wieder am Bahnhof trafen, um die Heimreise anzutreten.
Entspannt in der Bahn sitzend war es auch nur minimal ernüchternd, zu sehen, dass wir den Weg, den wir in fünf Tagen mühsam laufend hinter uns gebracht hatten, innerhalb von drei Stunden mit dem Zug zurückgefahren sind – so schnell ist sie dann doch, die Bahn… Immerhin wieder zu zwölft erreichten wir nach einer letzten Grenzüberschreitung am Abend schließlich Bayreuth und sanken wenig später auf unsere Sofas…
Ein herzliches Dankeschön geht an Frau Pargent und Herrn Lenk, die uns auf unserer selbst geplanten Wanderung von Wunsiedel nach Karlsbad begleitet haben. Ihre Unterstützung und ihre positive Begleitung haben wesentlich dazu beigetragen, dass unsere Tour nicht nur (fast) reibungslos, sondern auch spaßig verlief. Danke, dass sie uns zur Seite standen und dieses Abenteuer mit uns geteilt haben!
Ganz besonders möchten wir uns im Namen aller teilnehmenden Schüler und Lehrer auch bei unseren Sponsoren bedanken! Ohne ihre großzügige Unterstützung hätten wir unser Projekt niemals so erfolgreich umsetzen können. Unseren Dank geht daher an den Elternbeirat des GCE, den Verein der Freunde des Gymnasium Christian-Ernestinum, die Naturwissenschaftliche Gesellschaft Bayreuth, Horst Zeitler, die AKM GmbH, , das Ingenieurbüro B+D Ingenieure, die Luhde-Bau GmbH sowie den Freiraum.
Elena Luhde