Mord und Totschlag im Ethikunterricht
Die 9. Jahrgangsstufe beschäftigt sich mit ethischen Dilemmata.
In vielen amerikanischen Städten bewegen sich bereits fahrerlose Taxis im normalen Straßenverkehr, im Mai 2021 hat der Bundestag ihren Betrieb prinzipiell auch für Deutschland erlaubt. Die Fahrzeuge sind autonom, fahren und entscheiden also selbst. Und so sicher und unfallfrei sie sich bisher bewegen - tatsächlich gehen laut ADAC 90 % der Unfälle auf menschliches Versagen zurück - werfen sie doch speziell in Gefahrensituationen ethische Dilemmata auf. Gefährdet man bei einem Ausweichmanöver beispielsweise die Insassen oder doch den Fußgänger? Darf die Entscheidung davon abhängen, ob der Fußgänger die Straße bei rot überquert?
So neu sind derlei Fragen jedoch nicht. Berühmt ist das Trolley-Problem (Engisch, Welzel, Foot, Thomson), ein Klassiker der Moralphilosophie. Mit einem Bobbycar und wachsendem schlechten Gewissen spielte die Ethikgruppe der 9. Jahrgangsstufe drei Szenarien nach und lernte so den Unterschied zwischen deontologischer und utilitaristischer Ethik kennen. Aber probieren Sie es doch selbst und entscheiden Sie, wer stirbt und wer lebt:
Das MIT programmierte die Website um zu erfahren, wie Menschen Dilemmasituationen beim autonomen Fahren lösen würden. Dabei fließen verschiedene Aspekte wie Alter, Geschlecht & Gesundheit der "Opfer" mit ein, um die Reaktion des Autos im Sinne der mehrheitlichen Entscheidungen entsprechend zu verbessern. So würde das Auto bei einer Präferenz von Jüngeren den alten Mann umfahren, um dafür die jungen Insassen zu retten.
Nach diesem Prinzip wurden Umfragen in verschiedenen Jahrgangsstufen sowie Interviews einzelner Personen durchgeführt, um herauszufinden, wie die Schüler am GCE in Dilemmasituationen, im Zwiespalt mit ihrem Gewissen, denken und handeln würden.
Einige der Ergebnisse waren sehr überraschend, wie z. B. bei dem ersten Szenario der Umfrage. In diesem rast ein Zug auf fünf Personen , die an dem Gleis festgebunden sind, zu und man könnte sie durch Umstellen einer Weiche retten. Dabei würde aber eine Person auf dem anderen Gleis sterben. Wie würden Sie handeln? Hätten Sie fünf Leben verschont und einen Tod in Kauf genommen? – Vermutlich ja!
Die Schüler der unteren Jahrgangsstufen stimmten dem meist zu und würden mehr Menschen retten. Jedoch gibt es Widerspruch der höheren Jahrgangsstufen, die meist den Hebel nicht umlegen würden. Doch warum ist das so? Vielleicht, weil sie somit aktiv an dem Geschehen teilgehabt hätten und für einen / mehrere Morde verantwortlich gewesen wären. Oder weil sie in der Situation in der Realität völlig entscheidungsunfähig oder perplex wären.
In einem weiteren Szenario fährt der Zug auf ein gesundes Kind zu, dessen Tod man durch Umstellen der Weiche vermeiden kann, jedoch würden dann drei pflegebedürftige Schwerkranke sterben. Ein oder drei Leben? Gesund oder krank? Wer soll gerettet werden?
Das ist eine deutlich schwerere Entscheidung, bei denen man an einige Grenzen stößt. Nach individuellem Denken und den unterschiedlichen moralischen Aspekten, kamen die Schüler dabei zu einem relativ ausbalancierten Resultat. In allen teilnehmenden Klassen wurde zu gut 46% der Hebel umgelegt und zu gut 54% nicht.
Doch sehen sie selbst wie die Entscheidungen in zunehmendem Alter variieren. Versuchen Sie sich selbst an unserer Schülerumfrage, lernen sie die fünf Szenarien kennen und vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit denen der Schüler:
Außer den Schülerumfragen wurden auch einige Lehrer befragt, die durchaus mit ihrem Gewissen kämpften und manchmal unschlüssig waren, ob sie in der Realität imstande wären, ein schnelles Urteil zu fällen und direkt zu handeln. Ein Aspekt, der Schwierigkeiten bereitete, waren die teils gegebenen Informationen über die Personen, z. B. Alter, Gesundheit oder Beruf. Einen Arzt würde man schätzungsweise fünf Schwerverbrechern vorziehen, aber fünf unbekannte Personen einer. Eine Lehrerin war bereit, ihr Interview für interessante Einblicke bereitzustellen:
Möglicherweise haben die verschiedenen Einblicke auch Sie zum Nachdenken angeregt und einige Kontroversen aufgeworfen.
-Joelle Eisel (9a) und die Ethikgruppe der 9.Klasse mit Herrn Kerling
P.S.: Noch immer nicht genug? Hier gibt es das bekannte Trolley-Problem in immer kurioseren Variationen (English only). Schaffen Sie es, den "body count" unter 51 zu halten, was der niedrigste Wert in der Klasse war? Aber es geht ja gar nicht um die Anzahl der Toten...